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Medizin
Antihistaminika: Stufenplanverfahren nach Todesfällen bei Kleinkindern
Montag, 14. August 2017
Bonn – Unter der Behandlung von Kleinkindern mit Antihistaminika der ersten Generation, die zur oralen und rektalen Anwendung rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind, kommt es immer wieder zu schweren Zwischenfällen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das den Nutzen der Präparate zur Behandlung von banalen Magen-Darm-Infekten bezweifelt, hat jetzt ein Stufenplanverfahren der Stufe 2 eingeleitet. Die Hersteller sollen künftig in den Fachinformationen stärker als bisher auf die Gefahren einer Überdosierung hinweisen. Eine eindeutige Kontraindikation ist jedoch nicht vorgesehen.
Antihistaminika der ersten Generation wie Dimenhydrinat und Diphenhydramin werden vor allem als Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen bei Gastroenteritis gegeben. Ein zweites Einsatzgebiet ist die Vorbeugung einer Kinetose, also dem Auftreten von Übelkeit und Erbrechen bei schnellen Bewegungen, etwa bei Autofahrten.
Beide Einsatzgebiete sind bei Säuglingen und Kindern unter vier Jahren unter Experten umstritten.
Jüngere Studien haben laut BfArM gezeigt, dass Dimenhydrinat oder Diphenhydramin bei einer Gastroenteritis gegenüber einer reinen Rehydratation keine Vorteile bieten. Und Kinetosen seien in den ersten drei Lebensjahren vermutlich selten, da die visuellen Systeme bei Säuglingen und Kleinkindern noch nicht so weit entwickelt sind, dass „intersensorische Konflikte“ auftreten, die als Ursache der Kinetosen angenommen werden. Im Alter von vier bis zehn Jahren sind Kinetosen jedoch eine häufige Gesundheitsstörung.
Umso tragischer ist es, wenn es bei Kleinkindern immer wieder zu schweren unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) kommt. Dem BfArM liegen zu Dimenhydrinat-haltigen und Diphenhydramin-haltigen Arzneimitteln 39 Fälle schwerwiegender unerwünschter Arzneimittelwirkungen vor. Darunter waren fünf Fälle mit tödlichem Ausgang. Die Kinder waren zwischen 29 Tage und 3 Jahre alt.
Bei drei der fünf Todesfälle wurde eine Überdosierung oder Intoxikation (etwa durch versehentliches Verschlucken) gemeldet.
Zwei der Kinder starben an den Folgen eines Krampfanfalles.
Krampfanfälle waren mit zwölf Fällen der häufigste Grund für die UAW-Meldung vor Somnolenz (zehn Fälle) und Pulsänderungen (sechs Fälle).
Aus Sicht des BfArM ist der Einsatz eines Arzneimittels, das zentralnervöse Wirkungen wie Krampfanfälle auslösen kann, bei Kleinkindern, die bei Infekten zu Fieberkrämpfen neigen, eigentlich nicht angezeigt. Eine ausdrückliche Kontraindikation ist jedoch nicht vorgesehen. Die Fachinformationen sollen in erster Linie auf die Gefahren einer Überdosierung hinweisen.
Im Kapitel „Besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen“ wird die problematische Nutzen-Risiko-Bilanz zwar problematisiert. Am Ende bleibt es aber bei dem Hinweis, dass die Indikation bei Kindern bis drei Jahre streng zu stellen sei.
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Von rme/aerzteblatt.de